Interview mit dem Tippmeister Urs Bruder
Die Fragen stellte Rekordmeister Andreas Bedel

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Hallo Urs,
zuerst mal Glückwunsch zum erneuten Sieg. Es war ja ein unglaublich spannendes und knappes Finale in dem es irgendwie jeder verdient hätte zu gewinnen. Konny hat nach dem Gewinn der EM Tipps erneut Ihre Klasse bewiesen doch ging Ihr auf der Zielgeraden etwas die Luft aus. Thorsten gewohnt routiniert und stabil am Ende um Haaresbreite geschlagen.
Und Du hast nun mit mir in der Anzahl der Gesamtsiege gleichgezogen und tippst in den letzten Jahren unglaublich konstant.
 
Urs: Ja, das war schon ein echt krasser und nervenaufreibender Kampf mit Konny und Thorsten, fast schon eine Schlacht könnte man sagen. Ich hatte am Ende halt das Glück auf meiner Seite, die anderen beiden hätten es genauso verdient gehabt. Konny lässt schon richtig gute Tipps raus, sie wird in Zukunft bestimmt häufiger ganz oben mitmischen und T5 wurde nach Platz 3 jetzt Zweiter, da zählt nun wohl nur noch der Titel.
 
Andi: Also Urs verrate uns das Geheimnis Deines Erfolges und erzähl am besten gleich noch ein bisschen wie Du die Tipliga momentan so findest ......
 
Urs: Frank Knecht hat vor vielen Jahren in einem Interview ja mal gesagt, dass er das Lesen der Spielberichte im Kicker für wichtig hält, dem kann ich mich nur anschließen. Ich persönlich sehe eigentlich nur wenig Fußball im Fernsehen, die Sportschau schon lange nicht mehr und Europacup auch nur selten. Ich lese mir meine Infos eher an und habe häufig das Glück die Westkonferenz im Radio hören zu können. Für das Tippen halte ich es für wichtig sich über Taktik und Ausrichtung der gegnerischen Teams im Klaren zu sein. Ein Beispiel:
Tabellenführer Braunschweig verliert erst am 15. Spieltag sein erstes Saisonspiel, die spielstarken Cottbuser konnten den Brauschweiger Abwehrriegel im heimischen Stadion knacken. Aufgrund dieses Erfolges reist Cottbus anschließend als klarer Favorit zum Tabellenletzten nach Sandhausen. Cottbus wird nun erneut versuchen, das Spiel zu machen und auch auswärts die Initiative übernehmen wollen, was Sandhausen in die Karten spielt. Sandhausen kann nun im eigenen Stadion auf Konter spielen und schlägt, aus taktischer Sicht nicht ganz überraschend, Cottbus 3:1.
Es ist in meinen Augen recht hilfreich, sich vorzustellen wie eine Mannschaft taktisch agieren wird. Vieles über die Ausrichtung einer Mannschaft (defensiv oder offensiv) erkennt man ja schon an ihrem Torverhältnis. Die Nürnberger beispielsweise spielen seit Jahren sehr defensiv, sind auswärts ein unangenehmer Gegner. Wenn sie dann aber zuhause das Spiel machen müssen, haben sie oft Probleme. Solche Gedanken können hilfreich sein, wenn man mit Außenseitern zu Punkten kommen möchte.
 
Andi: Hört sich logisch an erfordert natürlich schon ein gewisses Maß an Zeit, sich so intensiv mit den "inneren Werten"der Teams auseinanderzusetzen, zumal diese sich dazu ja auch sehr kurzfristig durch personelle Veränderungen wieder verschieben können. Aber ohne Fleiß kein Preis.
 
Urs: Personelle Veränderungen halte ich in diesem Zusammenhang für zweitrangig, wichtiger ist es, sich die jeweilige taktische Konstellation bewusst zu machen. Das benötigt keinen großen Zeitaufwand, eher eine erhöhte Wahrnehmung diesbezüglicher Informationen.

Andi: Wie lange brauchst Du für deine Tipps pro Spieltag  -  bei mir sind es immer nur 1-2 min.

Urs: Ich tippe meistens schon mal unter der Woche komplett durch und ändere dann teilweise noch etwas kurz vor Spielbeginn. Da ich die Auslandsligen und auch die 3. Liga nicht komplett im Kopf habe, muss ich mir die Tabellen anschauen, deshalb komme ich mit 1-2 Minuten sicherlich nicht aus.
 
Andi: Wie ist aus Deiner Sicht momentan die Auswahl der Spiele ? Welche Änderungen würdest Du Dir wünschen?
 
Urs: Die Auswahl der zu tippenden Spiele fand ich in der letzten Runde sehr gut, auch weil es wieder 27 Spiele sind. Mit dieser Anzahl lassen sich Tipprunden auch vergleichen, so hat Martin Waha gerade erst einen neuen Punkterekord aufgestellt.
Den ein oder anderen “unteren” Klassiker zu tippen fände ich persönlich nicht schlecht (Fortuna – Viktoria Köln, Partisan – Roter Stern o.ä.).

Andi: Was glaubst Du wär in der kommenden Runde Deine größten Konkurrenten sind?

Urs: Wie gesagt, Thorsten Schulte ist überfällig und Konny wurde nach Platz 2 in der 2. Tipliga und dem EM-Sieg jetzt nur knapp geschlagen. Auch Uli Hölzle und Martin Waha klopfen an die Tür, sie sind konstant oben mit dabei. Überrascht hat mich der Neueinsteiger Daniel Wagner, der auf Anhieb die 3. Liga gewonnen hat, aber der ist ja (noch) kein direkter Konkurrent. Mein Saisonziel lautet übrigens wie immer Klassenerhalt, das ist schwer genug!
 
Andi: Noch ein Wort zur Lage der Nation - Wie beurteilst Du die Entwicklung der Nationalmannschaft und schildere mir Deine Sicht zur medialen Weltuntergangstimmung nach dem 4-4 Jahrhundertspiel gegen Zlatans Schweden.
 
Urs: Das 4:4 und die anschließende Medienschelte würde ich nicht überbewerten, das kam vielleicht zum richtigen Zeitpunkt.
Auch wenn ich mit meiner Taktik abnerve, im taktischen Bereich haben Jogi Löw, aber auch die Bundesligatrainer, noch einige Defizite. In Italien wird längst häufig mit nur drei Verteidigern gespielt oder auch mal ein 4-2-4 ausgepackt. Dagegen ist die Bundesliga doch ziemlich unflexibel. Eine taktische Lehrstunde gab’s ja dann auch beim EM-Halbfinale, wie schon 2006, wieder von Italien. Aber Jogi hatte in diesem Spiel zumindest mal taktisch was ausprobiert. Auch wenn es nicht geklappt hat, es war immerhin mal was anderes!
Alles in Allem stehen derzeit so viele sehr gute Spieler in der deutschen Nationalmannschaft, dass man 2014 ruhig mal den Titel holen kann. Ich denke wir sind nicht ohne Chance als erste europäische Mannschaft in Amerika Weltmeister zu werden. Und dann noch in Brasilien...
 
Andi: Bayern oder wieder BVB - was ist Dein Tip?
 
Urs: Als alter Dortmund Fan natürlich BvB. Mit einem großen Titel wird’s diese Saison wohl nichts, aber die Zukunft ist schwarz-gelb. Zumindest hat man beim BvB ein Konzept, kauft nicht nur was teuer ist, was man von dem ein oder anderen Verein hinterm Weißwurstäquator nicht unbedingt behaupten kann.
 
Andi: Die deutschen Mannschaften sind in den Europapokalen so erfolgreich wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr.
Reicht es diesmal für einen Titel und worin siehst Du die Gründe der Erfolge?
 
Urs: Die Bayern haben diese Saison einen Kader, der erneut um die Champions League mitspielen kann, Dortmund fehlt es wohl noch an internationaler Erfahrung.
In der Europa League gehören deutsche Mannschaften immer zu den Mitfavoriten, derzeit sticht aber keine wirklich heraus. Großartige deutsche Erfolge gab es in den letzten Jahren nur wenige, ob sich das so schnell ändert muss man abwarten. Mir persönlich ist das auch nicht so wichtig. Zum Ausklinken würde mich da eher eine Europapokal Teilnahme des OFC bringen, die ja jetzt zum Greifen nahe ist.

Andi: Da erkennt man doch den wahren Tippexperten! Es sind tatsächlich eventuell nur noch 2 Siege bis zur Europapokalteilnahme. Also zum Greifen nah und doch unendlich weit entfernt. Finanziell ist der Pokal ja neben den Hopps und Scheichs dieser Welt die einzige Möglichkeit sich etwas aus den tödlichen klauen der 3 Liga Krake zu befreien. Wenn der DFB hier nicht schnell handelt und die eigentlich nicht zu stemmenden Auflagen wie. z.B Jugendleistungszentrum, hauptamtliche Ärzte etc. für die Vereine an die Fernsehgelder anpasst, werden wir in den nächsten Jahren noch viele Vereine sehen die dem bitteren Weg von Alemannia Aachen folgen.

Urs: International gesehen werden in Deutschland die mit Abstand meisten Fernsehgelder in die 3. Liga abgegeben. Es liegt also nicht am DFB, dass viele Traditionsvereine so große Probleme haben, sondern an  Realitätsverlust und Überheblichkeit. Beispielsweise meint man in Offenbach unbedingt in die 2. Liga zu gehören, obwohl man in den letzten 23 Jahren nur vier in der 2. Bundesliga verbracht hat. Anstatt auf ein langfristiges Konzept und Jugendarbeit zu setzen, wurde massenhaft Geld mit Ziel eines schnellen Aufstiegs verschwendet. Bei vielen anderen Traditionsvereinen ist es genau das selbe. Wie man mit wenig Geld, seriöser Arbeit und beiden Füßen auf dem Teppich Erfolg haben kann beweisen die “kleinen” Vereine, die gerade die 2. und 3. Liga überfluten, z. B. Ahlen, Regensburg, der FSV, Paderborn, Münster, Unterhaching, Heidenheim usw. Mit Ruhl und Oli Roth stehen beim OFC jetzt zumindest Leute an der Spitze, die von Finanzen eine Ahnung haben. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht die Geduld verlieren. Die OFC Jugend steht, wenn auch nicht in den obersten Ligen, derzeit immerhin überall auf Platz 1, das ist doch schon mal was!

Andi: Ich würde mir auch ein Team aus der eigenen Jugend wünschen, doch sollte man vorher bedenken ob diese dann überhaupt die Klasse halten und ob man damit mehrere Jahre in der 3. Liga überleben kann ? Bei den genannten Beispielen überrascht nur Regensburg die es mit Mini Etat geschafft haben, aber fraglich wie lange das hält. Ahlen und Heidenheim haben mit Voith und Imtech Megakonzerne als Sponsoren im Rücken und selbst Paderborn einen Milionär und Möbelhausbesitzer. Münster mit 300.000 Einwohnern und einen relativ soliden Umfeld hat auch anderes Potential und es zudem in letzter Zeit noch nicht über die 3. Liga hinaus geschafft und es bleibt abzuwarten wie die Entwicklung weitergeht .

Vielen Dank Urs für die interessanten Einblicke und noch ein Aufruf zum Abschluss an alle Tipper doch noch den ein oder anderen neuen Tipper zu werben, um die 3.Liga nicht zu sehr auszudünnen und außerdem ist es ja immer wieder schön neue Tipper für die Runde zu begeistern.


6.1.2013